Der EC-Wert gehört zu den wichtigsten, aber auch meist missverstandenen Stellschrauben im Cannabisanbau. Viele Grower messen ihn zwar regelmäßig, wissen aber nicht wirklich, was er ihnen sagt, wie er sich auf die Pflanze auswirkt und wann ein Wert zu hoch oder zu niedrig ist. Genau hier entstehen Probleme wie Wachstumsstopp, Mangelerscheinungen trotz Dünger oder verbrannte Blattspitzen.
Dabei ist der EC-Wert kein Hexenwerk. Wer versteht, wie Cannabis Nährstoffe aufnimmt, erkennt schnell, warum der EC-Wert eher ein Belastungsindikator als ein Leistungswert ist – und warum „mehr Dünger“ fast nie die richtige Lösung ist.
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Der EC-Wert (Electrical Conductivity) beschreibt die elektrische Leitfähigkeit einer Nährlösung. Vereinfacht gesagt: Er zeigt an, wie viele gelöste Salze – also Nährstoffe – sich im Wasser befinden.
Wichtig ist dabei:
Der EC-Wert sagt nicht, welche Nährstoffe enthalten sind, sondern nur wie viel insgesamt. Zwei Nährlösungen können den gleichen EC-Wert haben, aber völlig unterschiedlich zusammengesetzt sein.
Für Cannabis bedeutet das:
Der EC-Wert ist ein Indikator für die Gesamtbelastung der Wurzeln, nicht automatisch ein Zeichen für optimale Ernährung.
Cannabis nimmt Nährstoffe ausschließlich über die Wurzeln auf – und zwar durch Osmose. Damit dieser Prozess funktioniert, muss das Konzentrationsgefälle stimmen. Ist der EC-Wert zu hoch, wird Wasser aus den Wurzeln gezogen, statt aufgenommen. Die Pflanze „verdurstet“, obwohl sie im Dünger steht.
Ist der EC-Wert zu niedrig, fehlen der Pflanze Baustoffe für Wachstum, Enzymprozesse und Blütenbildung. Beides führt zu Stress – und Stress ist einer der Hauptgründe für Ertragseinbußen, Zwitterbildung und schwache Blüten.
Der ideale EC-Wert ist daher kein fixer Wert, sondern immer abhängig von:
Entwicklungsphase
Substrat
Genetik
Lichtintensität
Wurzelgesundheit
Der Umgang mit dem EC-Wert unterscheidet sich stark je nach Medium.
In Erde wirkt das Substrat als Puffer. Nährstoffe werden gespeichert und verzögert abgegeben. Deshalb toleriert Cannabis hier niedrigere und schwankendere EC-Werte. Ein zu hoher EC-Wert ist trotzdem gefährlich, zeigt sich aber langsamer.
In Coco gibt es kaum Puffer. Die Pflanze reagiert direkter auf Veränderungen. Hier ist ein stabiler EC-Wert extrem wichtig, da Überdüngung schneller einsetzt – aber auch Korrekturen schneller greifen.
In Hydroponik ist der EC-Wert absolut zentral. Jede Veränderung wirkt sofort auf die Pflanze. Fehler werden nicht abgefedert, sondern direkt sichtbar – positiv wie negativ.
Ohne in starre Zahlen zu verfallen, lassen sich grobe Bereiche definieren:
Keimlinge & junge Pflanzen: sehr niedriger EC
Wachstumsphase: moderater EC, Fokus auf Stickstoff
Frühe Blüte: steigender EC, Umstellung auf Phosphor & Kalium
Späte Blüte: stabiler, nicht maximaler EC
Spülen: EC nahe Null
Der häufigste Fehler ist, den EC-Wert zu schnell und zu stark zu erhöhen, weil die Pflanze „gut aussieht“. Gesundes Aussehen bedeutet aber nicht, dass sie mehr Nährsalze verträgt.
Ein zu hoher EC-Wert äußert sich nicht sofort dramatisch. Die Pflanze zeigt zunächst subtile Warnsignale:
Besonders tückisch: Überdüngung sieht oft aus wie Nährstoffmangel, weil die Wurzeln blockiert sind. Viele Grower erhöhen dann weiter den EC – und verschlimmern das Problem massiv.
Ein dauerhaft zu niedriger EC-Wert führt zu:
Hier liegt der Fehler meist nicht im fehlenden Dünger, sondern in:
Beim EC-Wert scheitern viele Grows nicht an fehlendem Wissen, sondern an falschen Annahmen, die sich hartnäckig halten. Diese Denkfehler wirken logisch, fühlen sich „richtig“ an – und führen trotzdem regelmäßig zu Stress, Blockaden und unnötigem Ertragsverlust. Wer sie einmal verstanden hat, trifft deutlich ruhigere und bessere Entscheidungen.
Denkfehler 1: „Mehr EC bedeutet mehr Wachstum“
Das ist der Klassiker. Viele Grower erhöhen den EC-Wert, sobald die Pflanze vital aussieht, in der Annahme, dass sie „mehr Futter verträgt“. Biologisch funktioniert Cannabis aber nicht nach dem Prinzip „je mehr, desto besser“, sondern nach Verwertbarkeit.
Nährstoffe sind kein Treibstoff, den man einfach nachkippt. Sie müssen:
werden. Sobald einer dieser Schritte limitiert ist (z. B. durch Licht, Wurzeln, Temperatur oder Sauerstoff), bringt ein höherer EC keinen Vorteil, sondern erhöht nur den osmotischen Druck an den Wurzeln. Das Ergebnis ist kein Turbo-Wachstum, sondern schleichender Stress.
Ertrag entsteht durch Balance, nicht durch maximale Werte.
Denkfehler 2: „Leicht verbrannte Spitzen sind normal“
Verbrannte Blattspitzen werden oft als Zeichen gedeutet, dass man „am Limit fährt“ – angeblich optimal für maximalen Ertrag. Tatsächlich zeigen diese Spitzen aber, dass die Pflanze bereits überfordert ist.
Cannabis kann Nährstoffe nicht dosiert „ablehnen“. Überschüsse werden über die Blattspitzen ausgeschieden, was dort zu Nekrosen führt. Diese Schäden sind irreversibel und kosten die Pflanze Energie für Reparaturprozesse, statt für Wachstum oder Blütenbildung.
Ein Grow ohne verbrannte Spitzen ist kein verschenktes Potenzial – er ist ein Zeichen für sauberes Management.
Denkfehler 3: „Wenn Mangel aussieht wie Mangel, fehlt Dünger“
EC-Fehler führen extrem häufig zu Fehldiagnosen. Ein zu hoher EC blockiert die Wasseraufnahme, wodurch die Pflanze trotz voller Nährlösung funktionell unterversorgt ist. Die Symptome sehen dann aus wie klassische Mängel: gelbe Blätter, Flecken, Wachstumsstopp.
Der fatale Reflex: noch mehr Dünger.
Damit verschärfst Du die Salzbelastung weiter und treibst die Pflanze tiefer in die Blockade. In Wahrheit bräuchte sie weniger EC, nicht mehr. Dieser Denkfehler zerstört mehr Grows als fast jeder andere.
Denkfehler 4: „EC-Tabellen gelten immer“
EC-Tabellen sind Orientierungen, keine Gesetze. Sie gehen von idealen Bedingungen aus, die in der Realität selten vollständig gegeben sind. Zwei identische Pflanzen können bei gleichem EC völlig unterschiedlich reagieren, abhängig von:
Wer blind Tabellen folgt, statt die Pflanze zu lesen, verliert den wichtigsten Sensor im Grow: das reale Verhalten der Pflanze.
Der beste EC-Wert ist immer der, bei dem die Pflanze sichtbar entspannt wächst.
Denkfehler 5: „Hoher EC in der Blüte = mehr Potenz“
Ein besonders hartnäckiger Mythos ist, dass ein hoher EC in der späten Blüte die Potenz steigert. Tatsächlich reagieren viele Pflanzen darauf mit:
geringerer Terpenproduktion
härterem, weniger aromatischem Rauch
schnellerem Abbau von Blattmasse
Cannabinoid- und Terpenproduktion profitieren von stabilem, stressarmem Stoffwechsel, nicht von maximaler Salzkonzentration. Viele hochwertige Grows fahren den EC gegen Ende bewusst leicht zurück, um Aroma, Geschmack und Harzqualität zu verbessern.
Dieser Artikel dient ausschließlich zu Informationszwecken und möchte niemanden zum Konsum von CBD oder ähnlichen Produkten verleiten. Unsere Produkte sind ausschließlich für wissenschaftliche Zwecke gedacht. Informiere dich vor dem Kauf stets über die aktuelle Gesetzeslage in deinem Land.